16. April 2020

Rumänien: Unterstützung für Landwirte – eine Priorität im Covid19-Kontext (Offener Brief)

Eine Reihe von Massnahmen, die der rumänischen Regierung und dem rumänischen Parlament von Kleinproduzentenorganisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Forscher*innen im Bereich der Landwirtschaft und Ernährung vorgeschlagen wurden.

So wie wir derzeit mit einer Gesundheitskrise konfrontiert sind, zeigt die Realität uns, dass die Gefahr einer Lebensmittelkrise besteht. Bäuer*innen, kleine und mittlere lokale Produzent*innen, Familienbetriebe in Rumänien und auf der ganzen Welt versorgen weiterhin sowohl in ihren Dörfern, ihren Familien als auch in den Städten in der Nähe mit Lebensmitteln. Kurze Nahrungsmittelketten und die lokale Wirtschaft sorgen nicht nur für frische und gesunde Lebensmittel, sondern sie stellen auch die Lösung für diese Krise dar, die wahrscheinlich noch länger andauern wird. Darüber hinaus ist ihre Unterstützung eine wichtige Chance für die langfristige lokale Entwicklung und ein Sicherheitsnetz in anderen potenziellen Krisensituationen.

Wir halten es für besonders wichtig, dass die staatlichen Behörden das Funktionieren der an die Pandemie-Bedingungen angepassten Bauernmärkte aufrechterhalten. Wir brauchen weiterhin die Unterstützung der Behörden, damit die Produzent*innen weiterhin auf die Märkte kommen und unter hygienischen und sicheren Bedingungen – sowohl für sich selbst als auch für die Verbraucher*innen – verkaufen können. Die öffentlichen Bauernmärkte sind das wichtigste Mittel, um die Produkte der Kleinproduzent*innen direkt zu verkaufen. Sie sind wichtig, weil sie Nahrungsmittel zu fairen Preisen sowohl für Erzeuger*innen als auch für Verbraucher*innen, einschliesslich Menschen aus gefährdeten Gruppen und älteren Menschen mit knappen Renten, bereitstellen. Darüber hinaus zeigen die vielen alternativen Direktvermarktungsinitiativen von Erzeuger*innen zu Verbraucher*innen sowie lokale und regionale Lebensmittelprojekte die Relevanz und Nachhaltigkeit kurzer Wege.

Angesichts der unbestreitbaren Fähigkeit von Landwirt*innen und Kleinerzeuger*innen, die Verbraucher*innen zu ernähren, aber auch angesichts der mit der Coronavirus-Pandemie verbundenen Risiken, muss sich die öffentliche Politik nun darauf konzentrieren, sie sowie arme und ältere Verbraucher*innen bei der Bekämpfung der Krisenfolgen zu unterstützen. Daher schlagen die Unterzeichner*innen dieses offenen Briefes der Regierung und den zuständigen Behörden konkrete Massnahmen vor, die in der nächsten Periode umgesetzt werden können.

Unsere Vorschläge sind in drei Teile gegliedert:

I. Marktzugang und landwirtschaftliche Tätigkeit von Kleinproduzent*innen:

1. Aufrechterhaltung direkter Verkaufsstellen, wobei während der Covid-19-Krisenzeit in ganz Rumänien lokalen Bauernmärkten in Städten oder Dörfern sowie landwirtschaftlichen Geschäften Vorrang eingeräumt wird. Bevorzugung von Kleinproduzent*innen (anstelle des Zwischenhandels) auf öffentlichen und privaten Bauernmärkten. Wir schlagen auch vor, dass auf lokaler und nationaler Ebene – von Bürgermeister*innen, Gemeinderäten, privaten Marktverwaltungen und der Regierung – Mittel für die Hygiene und Sicherheit der Produzenten, einschliesslich Schutzausrüstung (Masken, Handschuhe, Overalls, Desinfektionsmittel usw.), bereitgestellt werden. Nicht zuletzt ist es notwendig, Märkte im öffentlichen Umfeld als praktikable und sichere Versorgungsalternative für die Verbraucher*innen (und) in der Krise zu fördern.

2. Unterstützung und Förderung von kurzen (lokalen) Versorgungsketten, wie z.B. Lebensmittelverkaufsinitiativen in Einzel- und Gruppenhäusern :

(a) Ermöglichung der Selbstorganisation von festen und mobilen Verteilungspunkten unter Einhaltung der Covid-19-Standards zur Verhinderung der Ausbreitung;

(b) die örtlichen Behörden stellen angemessenen Raum zur Verfügung. Die Kosten für ihren Betrieb während der Beschränkungen im Zusammenhang mit Covid 19 und mindestens drei Monate danach werden durch die Regierung und/oder die örtlichen Behörden gedeckt.

3. Unterstützung für Produzent*innen, die besonders von den Beschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen sind, bzw. für Kleinbäuer*innen (Schafe und Ziegen) und Imker*innen bei der Ausübung ihrer Wander- und Weidewirtschaftstätigkeit und beim Zugang zu den Märkten.

4. Aufrechterhaltung des Zeitplans für die Zahlung von Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und Unterstützung der Begünstigten offline und online bei der Erlangung von Subventionen; Senkung der Mehrwertsteuer und anderer Steuern für kleine und mittlere Produzenten.

5. Regulierung und Deckelung der kommerziellen Gewinne bei Grundnahrungsmitteln, um Spekulation und eine Verschärfung der Nahrungsmittelkrise zu vermeiden. Gleichzeitig garantieren das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie die Institutionen, die durch die direkte Unterordnung des Ministeriums und nach Rücksprache mit den Erzeugerverbänden befugt sind, faire Preise für die Erzeuger*innen.

6. Öffentliche Investitionen des Landwirtschaftsministeriums, mit Beiträgen auf Kreis- und Kommunalebene, für die Entwicklung der Lager- und Verarbeitungsinfrastruktur für Kleinproduzent*innen. Diese Investition ist von entscheidender Bedeutung und hat mittel- und langfristig eine strategische Rolle für die Entwicklung und Widerstandsfähigkeit der nationalen Nahrungsmittelketten. Diese Infrastruktur sollte die Lagerung und Verarbeitung von Gemüse, Obst, Getreide, Milch- und anderen Produkten für eine grössere Anzahl von Kleinproduzent*innen ermöglichen und dadurch deren Zugang zu Märkten und den Zugang der Verbraucher*innen zu gesunden, frischen und lokalen Lebensmitteln verbessern.

7. Aktualisierung und Verbesserung der Vorschriften für das öffentliche Beschaffungswesen, um die Versorgung kurzer Lieferketten für den institutionellen Gebrauch (Krankenhäuser, Betriebskantinen, Heime usw.) zu erleichtern, mit der Ausweitung dieses Systems auf Schulen, Kindergärten, Kinderkrippen und andere öffentliche Einrichtungen.

8. Die Wiedereinführung (und Überwachung) der Verpflichtung, von kurzen Lebensmittelketten an grosse Lebensmittelgeschäfte zu liefern.

II. Das Problem der Landarbeiter*innen:

9. Die rumänische Regierung wird aufgefordert, ihrer Verantwortung für die Sicherheit von Saisonarbeiter*innen, die in der Landwirtschaft und im Lebensmittelsektor arbeiten, gerecht zu werden und die Umsetzung aller Präventivmassnahmen gegen Covid 19 durch die Regierung Rumäniens und die Regierungen der Gastgeberländer während der gesamten Krise zu gewährleisten; Überwachung der Umsetzung der Präventivmassnahmen gegen Covid 19 durch alle staatlichen Institutionen, Personalvermittlungsagenturen und Unternehmen oder landwirtschaftliche Betriebe, die an der Einstellung, der Ausführung von Arbeitsverträgen sowie dem Transport und der Ausführung von Arbeiten von der Ausreise aus Rumänien bis zur Rückkehr in die Heimat beteiligt sind, einschliesslich der folgenden spezifischen Aspekte:

(a) Regelung von Charterflügen für den Transport von Saisonarbeiter*innen, um sicherzustellen, dass alle Präventionsmassnahmen nach Covid-19 umgesetzt werden; dies beinhaltet die Bereitstellung von Personal auf nationalen Flughäfen, um sicherzustellen, dass die Präventionsmassnahmen nach Covid-19 von Bürger*innen, die sich zur Saisonarbeit in andere Länder begeben müssen, eingehalten und erfüllt werden;

(b) Verpflichtung von Personalvermittlungsagenturen und Arbeitgeber*innen, die auf der Suche nach Saisonarbeitskräften sind, Saisonarbeitnehmer*innen über Covid-19-Präventionsmassnahmen während des Beschäftigungsprozesses, auf Reisen und während der tatsächlichen Arbeitszeit zu informieren und ihnen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen und den Arbeitnehmer*innen in den Gastländern zur Verfügung zu stellen;

(c) Die verbindliche öffentliche Verpflichtung auf bilateraler Ebene zwischen Rumänien und den Gastgeberländern von Saisonarbeiter*innen, dass die Präventionsmassnahmen für Covid-19 eingehalten werden (z.B. Kontrollen auf Arbeitgeberebene und in landwirtschaftlichen Betrieben durch die autorisierten Behörden der Gastgeberländer);

(d) Die Einrichtung gebührenfreier Nummern, unter denen Saisonarbeiter*innen Verstösse gegen die Covid-19-Präventionsmassnahmen durch Arbeitgeber*innen in den Gastländern melden können.

10. Die Verstärkung der Bemühungen um die Rückführung rumänischer Staatsbürger*innen – saisonale Migrant*innen, die in der Landwirtschaft, in der Lebensmittelindustrie und in anderen wesentlichen Diensten arbeiten, und Bürger*innen, die in den Aufnahmeländern gefangen sind, die sich in schwierigen Situationen befinden oder ihre Arbeit verloren haben und auf die Notwendigkeit einer Unterstützung bei der Rückführung hingewiesen haben.

11. Schutz der Landarbeiter*innen durch die Aufrechterhaltung der Arbeitsplätze und des damit verbundenen Einkommens, um ihre weitere Tätigkeit in der Notsituation zu gewährleisten und so die Gesundheit und Lebensmittelsicherheit aller Bürger*innen zu garantieren.

III. Verbesserung der Transparenz des Entscheidungsprozesses und Einbeziehung der Kleinproduzent*innen und der Zivilgesellschaft in kurzfristige Entscheidungen :

12. Einbeziehung von Vereinigungen der Kleinproduzent*innen, der Zivilgesellschaft, Organisationen und Forschungsinstituten, die im Bereich Landwirtschaft und Ernährung tätig sind, in die Dialog- und Arbeitsstrukturen auf der Ebene des Landwirtschaftsministeriums sowie anderer relevanter Behörden auf regionaler und lokaler Ebene für bessere Entscheidungen über die Ernährungssicherheit im Kontext der Covid-19-Krise, aber auch für die langfristige Entwicklung des Sektors.


Es ist mehr denn je an der Zeit, dass die rumänische Regierung und das rumänische Parlament verstehen, dass lokale, gesunde und nahrhafte Lebensmittel, die von Kleinproduzent*innen und Landwirten erzeugt werden, sowie der Zugang zu Nahrungsmitteln zu erschwinglichen Preisen eine starke lokale Wirtschaft und nachhaltige Ernährungssicherheit bedeuten.

Offener Brief geschrieben und gesendet von :

  • Asociația Eco Ruralis – în sprijinul fermierilor ecologici și tradiționali/ Eco Ruralis – zur Unterstützung der traditionellen und ökologischen Kleinbäuer*innen (www.ecoruralis.ro)
  • Federaţia asociaţiilor apicole din România – ROMAPIS/ Föderation der Imkereivereine Rumäniens (www.romapis.ro)
  • Asociația pentru Susținerea Agriculturii Țărănești – ASAT/ Verein zur Unterstützung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft (www.asatromania.ro)
  • Asociația Ființa Rurală – inițiativa Cutia Țăranului/ Initiative Bauernkorb (www.cutiataranului.ro)
  • WWF România (www.wwf.ro)
  • Asociația Hosman Durabil (www.moara-veche.ro)
  • Slow Food Cluj Transilvania
  • Rural Development Research Platform (www.rdrp.ro)
  • Proiectul de cooperare Just Food/ Kooperationsprojekt Just Food
  • Fundația ADEPT (www.fundatia-adept.org)